Die andere Seite ernst nehmen

Die meisten auf dem Markt angebotenen Bogen sind als sogenannte Rechts- oder Linkshandbogen geschaffen. D.h. dass die Pfeilauflage bzw. das Bogenfenster unterschiedlich angebracht ist. Ein Rechtshandbogen hat also links die Pfeilauflage bzw. das Bogenfenster, wird in der linken Hand gehalten und mit der rechten Hand die Sehne gezogen.

Beim Linkshandbogen ist es umgekehrt.

Rechtshänder schiessen in der Regel einen Rechtshandbogen und Linkshänder bedienen sich eines Linkshandbogens. Soweit – so gut, wenn da nicht noch die Augen mit ins Spiel kommen würden. Bei einem Rechtshänder kann das linke Auge besser sein als das rechte. Er wird also mit diesem Auge «zielen». Es kommt zu einer sogenannten Kreuzdominanz. In diesem Falle spielt weniger die „Händigkeit“, sondern das dominante Auge die entscheidende Rolle. Wenn es sich so verhält, wäre eher das Schiessen mit einem Linkshandbogen angezeigt.

Nun – beim intuitiven Bogenschiessen, wie es in der Regel beim meditativen Bogenschiessen gepflegt wird, sind beide Augen offen und dem dominanten Auge kommt keine allzu grosse Bedeutung zu. Die „Händigkeit“ hat daher mehrfach den Vorrang. Die meisten beim Meditativen Bogenschiessen zur Verfügung gestellten Bogen können also sowohl von Rechts- wie auch Linkshändern geschossen werden, sind also beidhändig.

Wer eine neue ungewohnte Tätigkeit beginnt, sollte die Gelegenheit nutzen, sich nicht von der bisher bevorzugten Händigkeit bestimmen zu lassen, sondern gleich von Anbeginn an, sowohl rechts wie links zu schiessen. Je älter die Erfahrung mit der einen Seite ist, umso ungeschickter ist man, wenn es um die andere Hälfte geht. Alles fällt schwerer, weil die Muskulatur auch nicht entsprechend ausgebildet ist. Daher empfiehlt es sich bei einem „Seitenwechsel“ vorerst einen schwächeren Bogen zu gebrauchen. Nach einer gewissen Zeit wird es keine grosse Rolle mehr spielen, ob man rechts oder links schiesst.

Wer seinen Bogen nur auf einer Seite schiesst, gewinnt nur die Hälfte an Erfahrung!

Sportpsychologen sehen einen lineareren Zusammenhang zwischen dem Leistungsniveau von Sportlern und ihrem Gebrauch der nicht dominanten Hand, also in der Regel der linken. Anders gesagt: Je besser einer spielt, desto häufiger mit links. Durch eifriges Training ist die Geschicklichkeit der nicht dominanten Hand massiv beeinflussbar – in Richtung Beidhändigkeit. Bei solch einem fokussierten Training kann man zudem eine verblüffende Erfahrung machen: Was ausführlich mit der Linken trainiert wurde, beherrscht unter bestimmten Umständen anschliessend auch die Rechte und vice versa – quasi automatisch.

Bereits Platon (427 v.Chr. – 348/347 v.Chr.) plädierte für einen vermehrten Gebrauch der Beidhändigkeit in der Erziehung, um die Geschicklichkeit zu steigern.

Die Wendeltreppen in alten Burgen und Schlössern sind in der Regel so gebaut, dass ein Rechtshänder mit seinem Schwert nicht von unten her angreifen kann. Der rechtshändige Verteidiger von oben ist im Vorteil.

Sie (d.h. die Begleiter David’s) waren mit Bogen und Pfeilen bewaffnet und konnten sowohl mit der rechten wie auch mit der linken Hand Steine schleudern und Pfeile schiessen.
1. Chronik 12, 2

Wer mit beiden Händen einen Bogen ziehen kann, befindet sich in einer komfortablen Lage und gilt als gefährlich, weil er aus sehr unterschiedlichen und völlig überraschenden Positionen zu schiessen vermag. Weniger militärisch ausgedrückt: Die Person, welche auf beiden Seiten stark ist, erhöht ihre Flexibilität, vermindert jegliche Einseitigkeit, überwindet die Dualität, wird „ganz“, es gibt keine bessere oder schlechtere Hälfte, bzw. „zwei linke Hände“ mehr!

Nach Galater 3, 26-29: Ihr seid alle Söhne und Töchter Gottes durch den Glauben. Es gibt nicht mehr Sklaven noch Freie, nicht mehr männlich noch weiblich, nicht mehr rechts und links; denn alles ist eins in Christus Jesus.